Mit Nächstenliebe gegen den Wahnsinn

Maximilian und Isabel helfen ukrainischen Flüchtlingen

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Die russische Invasion in der Ukraine hat Millionen von Menschen in die Flucht getrieben, die nun dringend Hilfe benötigen. Einer der vielen Freiwilligen, die in den vergangenen Wochen konkret mitangepackt haben, ist Maximilian Torggler aus Feldthurns. Von 2009 bis 2012 hat er die Mittelschule am Vinzentinum besucht und anschließend an der TFO Fallmerayer maturiert. Mittlerweile arbeitet er als selbstständiger Softwareentwickler in Berlin. Gemeinsam mit seiner Freundin Isabel ist er in der dortigen Flüchtlingshilfe aktiv.


Ihr seid kurz nach Kriegsbeginn mit einem Bus an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren, um Hilfsgüter abzuliefern und Kriegsflüchtlinge in Sicherheit zu bringen. Wie kam es dazu?
Bei einer Antikriegsdemo in Berlin haben wir Kontakte zu Leuten, die in Polen an der Grenze bzw. in der Ukraine selbst aktiv sind, hergestellt und gefragt, wie wir helfen können. Das war zu einer Zeit, wo an den Grenzübergängen großes Chaos herrschte, da es keine gesicherten Fluchtrouten gab. Es stellte sich heraus, dass es am effektivsten wäre, einen Bus zu mieten, ihn mit Hilfsgütern zu beladen und auf der Rückfahrt Flüchtlinge nach Deutschland zu bringen. Und genau das haben wir gemacht.

Das klingt nach einer ziemlich großen logistischen Aufgabe.
Über Telegram-Gruppen haben sich in kurzer Zeit sehr viele Leute vernetzt und es gab Sammelstellen für Hilfsgüter in ganz Berlin. Wir haben einen 9-Sitzer gemietet, sind mehrere Sammelstellen abgefahren und haben den Bus bis unter die Decke mit Hilfsgütern vollgepackt: Kleidung, Baby- und Tiernahrung, Wasser und Medikamente, Hygieneartikel. Eine Kontaktperson in Berlin hat uns dann auch schon zuvor mit ukrainischen Flüchtlingen in Kontakt gebracht, die wir dann an der polnischen Grenze bei Przemyśl aufnehmen sollten. 

Wie präsentierte sich dann für euch die Lage vor Ort?
In Polen bei der Registrierungsstelle war riesiges Chaos. Viele Leute, die Verwandte und Bekannte abholen kamen, aber auch freiwillige Helfer wie wir. Unsere erste Station war der Bahnhof, wo wir nach langer Suche eine Frau und ihre Tochter mitsamt Katze aufgenommen haben. Die beiden Frauen waren mehrere Tage ohne viel Schlaf unterwegs. Im Anschluss sind wir mit ihnen zu einem Flüchtlingscamp der polnischen Regierung gefahren, um unsere Hilfslieferung abzugeben. Dort herrschte noch größeres Chaos. Unsere Berliner Kontaktperson hat aber bereits die Verbindung zu diesem Flüchtlingsheim hergestellt und wir haben dort dann zwei weitere Familien aufgenommen: zwei Mütter mit ihrem kleinen Sohn bzw. zwei Töchtern sowie die Oma. Die zwei Familien haben wir in Warschau abgesetzt, weil sie dort Bekannte hatten. In Warschau auf dem Zugbahnhof herrschte ähnliches Chaos wie an der Grenze. Dort haben wir vier junge Männer und drei junge Frauen aufgenommen und haben es mit Hilfe anderer Freiwilliger aus Berlin – trotz Diesel- und Benzinknappheit – zurück nach Deutschland geschafft.

Was passierte mit den schutzsuchenden Menschen nach eurer Rückkehr?
Bereits auf dem Rückweg nach Berlin haben wir über Telegram die Unterkünfte vor Ort organisiert und die Menschen dann einfach bei Leuten, die Flüchtlinge aufnehmen, abgesetzt. Die Frau, die mit ihrer Mutter geflüchtet ist beispielsweise hat ihren Freund in Berlin, wo sie untergekommen sind.

Es ist dann aber nicht bei dieser einen Aktion geblieben. 
Nein. Danach haben wir einen privaten Spendenaufruf gestartet – und unsere Netzwerke in Südtirol genutzt, um Geld zu sammeln. Über Paypal hatten wir in kürzester Zeit 4.500 Euro beisammen. Ursprünglich wollten wir eigentlich eine zweite Fahrt organisieren, aber in Absprache mit unseren Kontakten an der polnischen Grenze hat sich herausgestellt, dass es sinnvoller wäre, einen Hilfsgütertransport direkt ins Kriegsgebiet nach Charkiw zu schicken. Dort wurden hauptsächlich medizinische Hilfsgüter wie First-Aid-Kits und Antibiotika benötigt.  

Und du und deine Freundin habt eure Wohnung auch für Schutzsuchende geöffnet. 
Ja. Daryna lebt seit einigen Tagen bei uns. Sie hat meine Freundin über Instagram kontaktiert, weil sie einen Schlafplatz in Berlin gesucht hat. Daryna ist ursprünglich aus Charkiw, hielt sich aber bei Kriegsausbruch in der Hauptstadt Kyjiw auf – konnte dann aber nicht nach Charkiw zurück, weil dort ja gekämpft wurde und wird. Also ist sie in die andere Richtung geflohen und hat selbstständig den Weg nach Berlin gefunden. Hier hat sie dann Isabel am Bahnhof abgeholt und seither lebt sie mit uns zusammen in unserer Wohnung. Sie versucht nun einen Job zu finden – sie ist eine talentierte Schneiderin und Modedesignerin – und hatte bereits Vorstellungsgespräche. Bis sie dann einen Job und eine eigene Wohnung hat, kann sie bei uns bleiben. 

Sprecht ihr denn untereinander viel über die Situation in der Ukraine?
Wir haben das Thema von unserer Seite nicht angesprochen, das war nicht angebracht. Aber oft fingen dann die Leute von sich aus an, über das Geschehene zu berichten. Andere sprechen lieber nicht darüber, weil sie traumatisiert sind und in Angst leben. Darynas Familie zum Beispiel hat mittlerweile zum Glück die Westukraine erreicht. Es war nämlich zunächst nicht klar, ob sie es aus Charkiw rausschaffen, da ihre Eltern schon etwas älter sind.

Das Schicksal der Menschen in der Ukraine geht vielen nahe. Was aber hat euch dazu bewogen, tatsächlich anzupacken und aktiv zu helfen?
Wir haben uns gedacht – wir persönlich können es für uns nicht verantworten, nichts zu tun. Und durch die Kontakte bei der Demo haben wir gesehen, dass wir tatsächlich etwas tun können. Da war das dann eigentlich ein No-Brainer. Unsere humanistische Einstellung verlangt danach – wir können nicht immer nur reden aber nichts tun. 

Was wünschst du den Menschen, denen ihr bei euren Aktionen begegnet seid?
Ich hoffe, dass die Leute lieber früher als später in ihre Heimat zurückkehren und sich ein freies, demokratisches Land aufbauen können. Dass sie einfach ein normales Leben führen.

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Maturatheater für die Ukraine

Angesichts der dramatischen Situation in der Ukraine hat die Oktava beschlossen, die Benefizaktion im Rahmen des Maturatheaters auszuweiten und neben einer Spende an den Verein "Hilfe für Kinder der Welt" einen Teil des Erlöses den Menschen in der Ukraine zukommen zu lassen. 

Verein "Theater am Vinzentinum"
T +39 376 029 4616
E-Mail: theater@vinzentinum.it
Str.-Nr.: 92037010219
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Reportage über Isabels Aktivitäten

The Vinzentinum